Das Land­ge­richt Stutt­gart (Urteil vom 07.11.2016, AZ: 40 O65/16 KfH) hat einem Anbie­ter von Glu­ko­se-Mess­sys­te­men und Insu­lin­pum­pen ver­bo­ten, Ange­hö­ri­gen der Heil­be­ru­fe eine kos­ten­lo­se Daten­ma­nage­ment-Soft­ware zur Ver­fü­gung zu stel­len. Es han­de­le sich hier­bei um eine ver­bo­te­ne Zuwen­dung gem. § 7 HWG, die das Ver­ord­nungs­ver­hal­ten des Arz­tes beein­flus­sen soll.
Der betref­fen­de Anbie­ter muss nun damit rech­nen, daß es womög­lich auch zu straf­recht­li­chen Ermitt­lun­gen (§299b StGB) kommt. Ärz­te, wel­che sich sol­che Zuwen­dun­gen schen­ken lies­sen, könn­ten dann eben­falls in den Sog der Ermitt­lun­gen gera­ten.

In der Ver­gan­gen­heit war es durch­aus Pra­xis, daß man­che Her­stel­ler von Glu­ko­se­mess­ge­rä­ten und Insu­lin­pum­pen hoch­wer­ti­ge Soft­ware an Ärz­te ver­schenk­ten, mit wel­cher die Gerä­te­da­ten aus­ge­le­sen bzw. ana­ly­siert wer­den konn­ten. Die­se Soft­ware war in der Regel pro­prie­tär, d.h. sie konn­te nur mit den Gerä­ten des jewei­li­gen Anbie­ters genutzt wer­den. Der Anwen­der wur­de dabei durch per­ma­nent ange­zeig­te Wer­be­bot­schaf­ten, Logos und/oder Claims ‑mehr oder weni­ger sub­til- beein­flusst. Dazu wur­den Ärz­ten oft­mals auch noch zuge­hö­ri­ge IT-Dienst­leis­tun­gen — wie Instal­la­ti­on, War­tung, Hot­line oder Schu­lun­gen —  “geschenkt”.
Der Arzt erspar­te sich somit die nicht uner­heb­li­chen Kos­ten für die Anschaf­fung von her­stel­ler­neu­tra­len Daten­ma­nage­ment-Lösun­gen (Soft­ware bzw. Online-Diens­te), die von unab­hän­gi­gen Anbie­tern zu Prei­sen ab 550,00 EUR (ein­ma­lig) bzw. bis zu 3.000,00 EUR (pro Jahr) ange­bo­ten wer­den. Zudem muss­te er die benö­tig­ten IT-Leis­tun­gen nicht teu­er über sein Sys­tem­haus beauf­tra­gen. Vie­len Pra­xen war dabei nicht bewusst: sol­che Leis­tun­gen gel­ten als (Betriebs-)Einkünfte und sind daher als Betriebs­ein­nah­me zu buchen und der Steu­er zu unter­wer­fen.

Für jeden klar muss­te aber sein, daß die Anbie­ter sol­che Aus­ga­ben in Mil­lio­nen­hö­he nicht aus puren altru­is­ti­schen Moti­ven täti­gen, son­dern hier­durch das Ver­ord­nungs­ver­hal­ten des Arz­tes beein­flus­sen woll­ten: die­ser soll­te durch Kom­fort­ge­winn und Kos­ten­er­spar­nis dazu gebracht wer­den, bevor­zugt die Blut­zu­cker­test­strei­fen bzw. Insu­lin­pum­pen des jewei­li­gen Anbie­ters zu ver­ord­nen. Markt­schwä­che­re Anbie­ter von Mess-Sys­te­men, denen die kos­ten­lo­se Zuwen­dung sol­cher Soft­ware bzw. der für Instal­la­ti­on und Schu­lung erfor­der­li­chen Dienst­leis­tun­gen nicht mög­lich ist, waren bei Ver­ord­nungs­ent­schei­dun­gen daher nicht sel­ten im Nach­teil.

Ärz­te, wel­che sol­che Zuwen­dun­gen anneh­men, ver­stos­sen dadurch zwar meist gegen das Ver­bot aus § 7 Abs. 1 ‚2. Alt HWG sowie gegen das berufs­recht­li­che Zuwen­dungs­ver­bot aus § 32 MBO; zugleich dürf­te auch eine Ver­let­zung des stan­des­recht­li­chen Gebots zur heil­be­ruf­li­chen Unab­hän­gig­keit (§ 30 MBO) nahe­lie­gen.  Aller­dings wur­den selbst gra­vie­ren­de Fäl­le sol­cher Rechts­ver­stös­se oft nicht geahn­det bzw. effek­tiv unter­bun­den. Dies war mit ein Grund, war­um der Gesetz­ge­ber die Ein­füh­rung spe­zi­fi­scher Straf­tat­be­stän­de als not­wen­dig erach­te­te.

Mit Inkraft­tre­ten des “Geset­zes zur Bekämp­fung von Kor­rup­ti­on im Gesund­heits­we­sen” haben die meis­ten Anbie­ter von Blut­zu­cker­mess­ge­rä­ten und Insu­lin­pum­pen sol­che Zuwen­dun­gen nun­mehr ein­ge­stellt; sie ver­lan­gen jetzt eben­falls markt­üb­li­che Prei­se für ihre Soft­ware bzw. IT-Dienst­leis­tun­gen. Dies aus gutem Grund, denn die Gewäh­rung von Zuwen­dun­gen, um das Ver­ord­nungs­ver­hal­ten zum Nach­teil ande­rer Anbie­ter zu beein­flus­sen, dürf­te nun­mehr sehr schnell die Schwel­le zu einer Straf­tat (§ 299b StGB, Bestechung im Gesund­heits­we­sen) über­schrei­ten.

Aller­dings gibt es nach wie vor Anbie­ter, die ihre Mar­ke­ting­in­ter­es­sen kon­se­quent ver­fol­gen und dabei bewusst in Kauf neh­men, dass Aus­sen­dienst­mit­ar­bei­ter sowie die von die­sen besuch­ten Ärz­te der Gefahr einer Straf­ver­fol­gung aus­ge­setzt wer­den.

Mit dem obi­gen, aktu­el­len Urteil hat das LG Stutt­gart einem sol­chen Anbie­ter von Glu­ko­se-Mess­sys­te­men und Insu­lin­pum­pen nun ver­bo­ten, Ange­hö­ri­gen der Heil­be­ru­fe eine der­ar­ti­ge Daten­ma­nage­ment-Soft­ware kos­ten­los zur Ver­fü­gung zu stel­len. Es han­de­le sich hier­bei um eine ver­bo­te­ne Zuwen­dung gem. § 7 HWG, die das Ver­ord­nungs­ver­hal­ten des Arz­tes beein­flus­sen soll.

Die unent­gelt­li­che Über­las­sung der streit­ge­gen­ständ­li­chen Soft­ware an Ärz­te dient nach Über­zeu­gung des Gerichts offen­sicht­lich dem Zweck, auf Kos­ten und zum Nach­teil der inso­weit rechts­treu­en Mit­be­wer­ber die Ver­ord­nungs­ent­schei­dung des Arz­tes zu beein­flus­sen.  Um die Daten aus einer Insu­lin­pum­pe eines ande­ren Anbie­ters com­pu­ter­ge­stützt aus­wer­ten zu kön­nen und somit auch Arbeits­zeit zu spa­ren, muss der Arzt ent­we­der von dort eine pas­sen­de Soft­ware zu Jah­res­kos­ten ab 180,00 EUR oder eine anbie­ter­über­grei­fen­de Daten­ma­nage­ment-Lösung – zu Prei­sen ab 550,00 EUR (ein­ma­lig) bzw. bis zu 3.000,00 EUR (pro Jahr)-  erwer­ben.
Es bedarf kei­ner hell­se­he­ri­schen Fähig­kei­ten um vor­her­zu­se­hen, wie die Ver­ord­nungs­ent­schei­dung eines Arz­tes womög­lich aus­fal­len könn­te, wenn er von einem Anbie­ter eine sol­che Soft­ware als Betriebs­mit­tel geschenkt bekommt und damit des­sen Gerä­te com­pu­ter­ge­stützt aus­wer­ten kann, wäh­rend er bei Ver­ord­nung eines gleich geeig­ne­ten Gerä­tes ande­rer Anbie­ter eine sol­che Soft­ware und die jeweils benö­tig­ten Updates teu­er kau­fen müss­te.

Das Gericht führt dazu aus: “Die den Ärzten/Heilberufen kos­ten­los im Inter­net zum Her­un­ter­la­den zur Ver­fü­gung gestell­te Soft­ware […] ist als unzu­i­as­si­ge Vor­teils­ge­wah­rung an die Heil­be­ru­fe zu wer­ten, die sich damit jeden­falls bei Ver­ord­nung von lnsu­lin­pum­pen der Ver­fü­gungs­be­klag­ten Kos­ten erspa­ren, die sie sonst bei Aus­le­sung der Gerä­te ande­rer Her­stel­ler zu tra­gen hät­ten.”

Damit füh­re “die von der Beklag­ten kos­ten­los über­las­se­ne Soft­ware zu einer Geneigt­heit des Arz­tes, im eige­nen Inter­es­se die von der Beklag­ten ange­bo­te­nen Gerä­te zu ver­ord­nen. [..]

Wei­ter­hin sei die Soft­ware “in Bezug auf den Ein­satz in der Arzt­pra­xis der Pra­xis­aus­stat­tung und nicht bloss dem Gerä­te­zu­be­hör für den Pati­en­ten zuzu­ord­nen.  […] Sol­che Aus­stat­tun­gen dür­fen sich die Heil­be­ru­fe, wenn dafür ein Bezahl­markt vor­han­den ist, nicht kos­ten­los zuwen­den las­sen, wenn damit — wie aus­ge­führt — das Ver­ord­nungs­ver­hai­ten des Arz­tes beein­flusst sein könn­te.

Dem Gericht lagen meh­re­re aus­führ­li­che Rechts­gut­ach­ten vor, die von bun­des­weit renom­mier­ten Straf­rechts­kanz­lei­en ‑unab­hän­gig von­ein­an­der- erstellt wur­den. Jedes die­ser Gut­ach­ten kam zum Ergeb­nis, daß in Fäl­len wie dem vor­lie­gen­den wohl von einer Straf­tat gem. § 299b StGB aus­ge­gan­gen wer­den müs­se.

Den­noch war vor­her­seh­bar, dass ein erst­in­stanz­li­ches Zivil­ge­richt, zudem in einem Eil­ver­fah­ren, sich eher nicht mit der fach­frem­den Mate­rie neu­er Straf­vor­schrif­ten befas­sen wür­de: wenig über­ra­schend beschränk­te sich das Gericht daher auf die wett­be­werbs­recht­li­chen Aspek­te (§ 7  HWG, § 3a UWG) und ver­zich­te­te auf eine inhalt­li­che Aus­ein­an­der­set­zung mit den Straf­rechts­nor­men. Hier­zu stell­te es ledig­lich lapi­dar fest: “Ob die Ver­fü­gungs­be­klag­te mit dem Ziel einer dem Arzt bewuss­ten Gegen­leis­tung, also auf eine Unrechts­ver­ein­ba­rung i.S. von § 299b StGB hin­aus­wol­lend, ihre kos­ten­lo­se Soft­ware anbie­tet, kann dahin­ge­stellt blei­ben.

Inter­es­sant ist jedoch, daß es das Gericht dann aller­dings doch nicht dabei bewen­den liess:
In einem Neben­satz — ohne jeg­li­che Begrün­dung oder einer wenigs­tens ansatz­wei­sen Befas­sung mit den zu ande­rem Ergeb­nis gekom­me­nen Gut­ach­ten — wird eini­ge Zei­len spä­ter ange­merkt, daß “bei der vor­lie­gen­den Hand­lungs­wei­se” eine straf­ba­re Hand­lung “schwer­lich anzu­neh­men” sei.

Das ist aller­dings eini­ger­ma­ßen para­dox und nicht nach­voll­zieh­bar, denn das Gericht macht ja an mehr­fa­cher Stel­le deut­lich, daß eine unzu­läs­si­ge Vor­teils­ge­wäh­rung an Ange­hö­ri­ge der Heil­be­ru­fe vor­lie­ge, die zudem das Ver­ord­nungs­ver­hal­ten bein­flus­sen soll. Dies ent­spricht nun aber ziem­lich exakt den Tat­be­stand­vor­aus­set­zun­gen für eine Straf­bar­keit nach § 299b StGB…

Auch Kol­le­gen, mit denen ich das Urteil bespro­chen habe, konn­ten sich die­sen ekla­tan­ten und logik­fer­nen Wider­spruch eigent­lich nur damit erklä­ren, daß das Gericht dem beklag­ten Her­stel­ler mit die­sem “Bon­bon” mög­li­cher­wei­se drin­gend nahe­le­gen woll­te, die Krö­te der Nie­der­la­ge zu schlu­cken und von wei­te­ren Rechts­mit­teln gegen die­se Ent­schei­dung bes­ser abzu­se­hen. Denn wenn das Ober­lan­des­ge­richt die­ses Urteil bestä­tigt und eben­falls eine ver­bo­te­ne Zuwen­dung zur Beein­flus­sung der Ver­ord­nungs­ent­schei­dung sieht, dann dürf­ten straf­recht­li­che Kon­se­quen­zen wohl unaus­weich­lich sein.

Der Her­stel­ler hat das Urteil den­noch ange­grif­fen und geht damit nun ein erheb­li­ches Risi­ko ein. Denn im Fal­le einer wei­te­ren Ver­ur­tei­lung muss nicht er nicht nur mit staats­an­walt­schaft­li­chen Ermitt­lun­gen rech­nen, son­dern auch die von ihm mit der Soft­ware bedach­ten Ärz­te könn­ten so — qua­si als Bei­fang — ins Visier der Staats­an­walt­schaft bzw. Steu­er­fahn­dung gera­ten.

Erste Hilfe bei Abmahnung

Was ist zu tun - uns was sollte man besser lassen. Ein Ratgeber für die ersten Schritte.

kostenlose Infos +

Abmahnung erhalten?

Besser gleich zum Experten!

0711 / 7676 591 (Stuttgart)
07433 / 9675 950 (Balingen)
sekretariat@rek.de